ART5

Künstlergruppe aus Plüderhausen und Umgebung.

> <

Sternen11en

Es war einmal der Herr des Lichts. Er regierte über die Völker der Formen und Farben. Er errichtete ein großes Reich und nannte es Realität. In diesem Reich sorgte er für erklärbare Ordnung. Er gab allem einen Namen, erließ allerlei Bestimmungen, Definitionen, wie zB Größen und Entfernungen. Er erfand die Zeit und mit ihr den Wandel, das Bewusstsein über Veränderlichkeit und Vergänglichkeit…
Und so regierte er auch über sämtliche Sinne und Gefühle und er nährte alles mit seinem Licht.

Er hatte eine Geliebte, die schöne Fürstin der Dunkelheit und immer in der Dämmerung traf er sich mit ihr.

Nach besonders heiterem Regieren befahl er dem warmrotfarbenen Volk die Ankunft seiner Liebsten mit einem leuchtenden stimmungsvollen Empfang vorzubereiten.
Und die Fürstin kam, mit ihrem Gefolge der langen Schatten, Dienern der Müdigkeit, des Friedens, der Gelassenheit und der Stille, die sie allmählich voraus schickte .
Sie erschien leise, mit ihrem langen Mantel, ihrem wehenden fließenden Haar .

Sie umarmte den Herrn des Lichts, umhüllte ihn mit ihrem langen dunkelnden Mantel des Schlafes, der Erlösung und des  Vergessens. Und die beiden tanzten…  tanzten, bis alles nachtschwarz war und der Herr des Lichts verschwand.

Alles ruhte nun und die Fürstin der Dunkelheit setzte sich auf den Thron der Nacht und sie regierte über ihr großes Reich der Ruhe und Weite, des  Schlafs und der Träume, über Fragen und Mystik, über die Zeitlosigkeit, und die Ewigkeit.
Sie begann ihr nachtschwarzes Haar zu kämmen und kämmte…  und kämmte bis es glitzerte und funkelte. All ihre gemeinsamen Kinder kamen nun hervor und spielten am nächtlichen Himmel. Die Fürstin ging auf der großen Sternenspielwiese umher und erfreute sich an der Unzähligkeit ihrer Kinder. Sie bettete jedes an seinen Platz und erzählte ihnen von Farben und Formen, Nähe und Greifbarkeit und… sie sehnte sich nach ihrem Geliebten.

 Und in der Fürstin besonders funkelndem nachtschwarzen Haar begrüßte der herannahende Herr des Lichts seine spielenden Kinder mit seinem Gefolge des ersten Morgengrau. Sanft nahm er seine Geliebte in den Arm und hob sie von ihrem Thron. Und er ordnete, bündelte  und zopfte ihr Haar. Und sanft faltete er ihren Mantel… und sanft hob er ihre hellende  Nebelschleier zum Abschied. Er atmete den Duft ihrer kühlen Morgenfrische und mit seinem ersten Blick küsste er ihre alles benetzenden Tautränen, schenkte ihr zum Abschied darin gleißende  sternenglitzernde Funkelgrüße. Still und allmählich entschwand sie mit ihrem Gefolge.

Sterne sind die Kinder vom Herrn des Lichts und der Fürstin der Dunkelheit.

Sterne sind Licht, haben aber weder Form noch Farbe…

Sie sind immer da, immer am selben Platz, doch sind sie unvorstellbar entfernt…

Sie tragen alle Namen, sind definiert durch Größe, Materie, Leuchtkraft, Anordnung, doch sind sie unzählbar, ungreifbar, unfassbar…

Man deutet Sterne, man orientiert sich,  jeder kennt sein Sternzeichen. Man kann sich in ihrer Faszination verlieren und allzu oft  möchte man nach den Sternen greifen.
Und oftmals möchte man (für jemanden) einen Stern vom Himmel holen…

Hier kannst du es!

Sternen11en besuchen ihren Vater, den Herrn des Lichts. Er gibt ihnen Form und Farbe, nennt sie beim Namen und er beleuchtet ihre Einzigartigkeit. Er beleuchtet die Anmut, die Andersartigkeit, die Schwerelosigkeit und Zeitlosigkeit – den Zauber ihrer Mutter, der Fürstin der Nacht.

Urbach, im April 2016

Karin Lutz